Heilsame Kommunikation und Eigenverantwortung
- Antje Hoell
- 4. Nov. 2021
- 2 Min. Lesezeit
Nach fast zwei Monaten schreibe ich heute endlich wieder einen Blogbeitrag. Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, dabei den Fokus nur auf meine Situation zu richten. Denn die Zeit, in der wir momentan leben, die politische Stimmung, die gerade herrscht, stimmt mich traurig und macht mich fassungslos. Es fällt mir schwer anzunehmen, dass momentan Menschen ungleich behandelt, ausgegrenzt und diffamiert werden. Ängste und Sorgen sind präsent, werden jedoch nicht ernst genommen oder angehört. Schuldzuweisungen bestimmen die Nachrichten. Würde mein Oberarzt mich nicht ernst nehmen mit meinen Ängsten und Sorgen, die sich stetig ändern oder sogar verschwinden können, ginge es mir emotional und körperlich nicht so gut, wie es mir gerade geht. Ihr habt richtig gelesen… mir geht es gut. Obwohl mich die politische Situation derzeit sehr beschäftigt, schaffe ich es, mich weiterhin zu stabilisieren. Dank meiner täglichen Yogapraxis und der zahlreichen Gespräche, die ich mit Freunden, der Familie und Bekannten führe, schaffe ich es immer wieder, bei mir anzukommen, mich zu zentrieren und in mir Halt zu finden. Meine Erkrankung nimmt derzeit kaum Raum in meinem Alltag ein. Denn meine Werte sind weiterhin stabil. Das schenkt mir Kraft und Zuversicht, die nächsten Monate und hoffentlich auch Jahre, ohne Therapie zu erleben. Wie es ganz aktuell mit den Werten aussieht, erfahre ich nächste Woche, denn dann habe ich erneut einen Termin bei meinem Oberarzt. Nach einer Abstinenz von sechs Wochen freue ich mich darauf, meinen Oberarzt wiederzusehen, denn ich bin gespannt, welch weise Worte er für unser Patientin-Arzt-Gespräch wählen und mir damit erneut zeigen wird, was heilsame Kommunikation, bedeutet. Das letzte Mal hat er mir erklärt, dass eine Diagnose bei jedem Menschen Energie freisetzt, sich Patienten und Ärzte darüber in der Regel jedoch nicht bewusst sind. Da wir alle unterschiedlich denken und handeln, geht auch jeder Patient und Arzt unterschiedlich mit der freigewonnenen Energie um. Für viele Ärzte ist diese Energie nicht vorhanden. Ein Groß der Patienten verwandelt diese in ein „Angstgespenst“. Sie lassen sich davon treiben, geben die Verantwortung für sich und ihr Leben an Ärzte und Obrigkeiten ab und hoffen auf das Wirken von Medikamenten. Zusätzliche Kraftquellen wie Bewegung, Ernährung, Dankbarkeit u.v.m. werden kaum berücksichtigt und in die Behandlung mit einbezogen. Andere Patienten jedoch nehmen diese Energie dankbar an. Sie übernehmen Selbst-Verantwortung für sich, ihre Krankheit und ihr Handeln. Sie beginnen, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen, versuchen den Fokus auf das Wesentliche im Alltag zu lenken und entwickeln Dankbarkeit. Zum Glück gehöre ich zum zweiten Patiententyp. Den Kopf habe ich bisher nicht in den Sand gesteckt. Ich lasse mich nicht leiten, von Prognosen über meine Erkrankung, über die Wahrscheinlichkeit eines nahenden Rückfalls. Wie ich reagieren werde, wenn das Myelom wieder aktiv wird, weiß ich nicht. Derzeit geht es mir gut. Derzeit plane ich mein Leben ohne Erkrankung. Gleichzeitig wünsche ich mir aus tiefsten Herzen, dass wir in der Gesellschaft wieder friedvoll miteinander kommunizieren und gemeinsam die Zukunft gestalten. Das jeder von uns Eigen-Verantwortung übernimmt. Denn Eigenverantwortung beinhaltet: Ehrlichkeit, Mitgefühl und Akzeptanz. All das gibt uns die Kraft, nach vorne zu blicken.
In dem Sinne wünsche ich jedem von uns, kleine Impulse, achtsame Worte im Umgang miteinander zu wählen und zu setzen, damit wir wieder gemeinsam und miteinander die Zukunft gestalten.
Passend dazu ein Zitat von Seneca: „Den Charakter kann man auch aus den kleinsten Handlungen erkennen.“

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