Mut und Vertrauen … die nächsten Schritte …
- Antje Hoell
- 19. Juni 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Juli 2021
Vier Wochen wieder keinen Beitrag geschrieben. Einige meiner lieben WegbegleiterInnen haben mich bereits besorgt gefragt oder angeschrieben, ob es mir gut geht… Mit Freude und aus tiefsten Herzen kann ich sagen: Ja, mir geht es im Großen und Ganzen gut.
Seit dem 25.3. erhalte ich keine Therapie. Ich darf mir die Auszeit mit engmaschiger Begleitung meines Oberarztes nehmen. Darf zu Kräften kommen und mich Schritt für Schritt mit einem evtl. Wiedereinstieg in das Berufsleben beschäftigen. Ich will optimistisch sein und meinen Weg ohne Therapie gehen. Dazu gehört viel Mut, Vertrauen in mich und meinen Geist, der gefühlt kaum still steht und mich immer wieder zum Nachdenken, Planen und Handeln anregt.
Ich habe in den letzten Wochen gedanklich viel gearbeitet, habe eine Bestandsaufnahme gemacht von den Monaten, die in diesem Jahr bereits hinter mir liegen und denen die noch kommen werden. Dafür habe ich mir einen Jahreszeitstrahl aufgemalt, unterteilt in die Monate. Von Januar bis März habe ich die erste Etappe dieses Jahres absolviert: meine Therapie. Seit April befinde ich mich in der zweiten Etappe, der Stärkungs-, Sortierungs-, Findungs- und Antragsphase. Wo fange ich nur an, diese Phasen zu erklären? Am besten von vorn…
Seit Februar erhalte ich Überbrückungsgeld von der Agentur für Arbeit, da ich von der Krankenkasse ausgesteuert wurde. Ich bin dort noch versichert, erhalte aber kein Krankengeld mehr. Da ich dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung stehe, hat sich die Rentenversicherung an mich und meinen Oberarzt mit der Aufforderung gewandt, einzuschätzen, inwieweit ich zukünftig wieder arbeitsfähig und in dem Zusammenhang Reha-tauglich bin. Für mich war und ist die Antwort darauf schwierig. Es kann kein klares Nein oder Ja geben. Warum nicht? Mein Krebs, dass Multiple Myelom, ist eine Form des Knochenmarkkrebs, der das gesamte Immunsystem betrifft. Deshalb gilt die Erkrankung auch als unheilbar, denn wie soll ein Krebs behandelt werden, der sich in jeder noch so kleinen Zelle im Körper befindet. Die Chemotherapie und die Stammzelltransplantation sind das Mittel der klassischen Medizin, mit der die Zellen im gesamten Körper zerstört werden sollen. Ein Restrisiko, dass nur eine kleine Tumorzelle überlebt, besteht jedoch auch hier. An der Stelle habe ich mich vorerst gegen die Stammzelltransplantation und all das Gift entschieden, was dafür in meinen Körper fließen würde. Stattdessen wende ich mich dem Leben mit all seiner Kraft und Möglichkeiten zu. Ich will und werde alles dafür tun, diese kleinen „Restbiester“ von Tumorzellen mit meiner dem Leben zugewandten Einstellung sowie allen nur erdenklich hilfreichen und bereits wissenschaftlich untersuchten Verfahren der Naturheilkunde und Komplementärmedizin, in Schach zu halten. Hierzu gehören erwiesenermaßen Bewegung, Ernährung, Entspannung und Achtsamkeit, soziale Kontakte und Beziehungen sowie die eigenen Gedanken und Gefühle, Lebensziele und ganz wichtig … die eigene Selbstbestimmung. Ich betrachte mich in dem Zusammenhang gerne als Jongleurin, die mit all den genannten Verfahren/Bausteinen wie mit Bällen jongliert. Wie wundervoll sich diese Vorstellung anfühlt, im Gegensatz zur Aussage: Sie sind unheilbar krank. Das bin ich nicht. Denn ich habe mein Leben, meine Jonglierbälle selbst in der Hand. Ich darf und kann bestimmen, welche Farben, welches Gewicht, welche Größe sie haben, welche Bälle ich näher betrachte, in die Hand nehme und hochwerfe = jongliere. Ich bin selbst für mein Leben verantwortlich! Ich entscheide, welche der Verfahren mir gut tun und in welchem Umfang. Die klassische Medizin denkt leider noch immer eingleisig, bezieht sich auf Statistiken und Wahrscheinlichkeiten und vergisst dabei das Individuum. Was für ein Fortschritt wäre es, wenn die die klassische Medizin beginnt, das Leben in die Therapie zu integrieren und jeden Patienten als Mensch zu betrachten und zu behandeln. Denn wir haben es alle verdient, gesehen, gehört, geachtet und wertgeschätzt zu werden. Mein Oberarzt hat erkannt, dass ich eine Jongleurin bin. Er hat mir den Ball der Zuversicht zugeworfen. Er glaubt daran, dass wir zu jeder Zeit eine für mich passende Therapie durchführen werden, sobald das Myelom wieder aktiv wird. Dafür bin ich ihm dankbar. Denn mit dieser Zuversicht betrete ich meine zweite Etappe, die der gesunden beruflichen Zukunft… (s. auch mein Foto)
Von Herzen wünsche ich Euch, liebe LeserInnen, dass auch ihr eure Jonglierbälle definiert, aus der Kiste Leben herausnehmt und damit euer Leben mit Freude gestaltet.
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