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Urlaub, Werte, den Platz in der Gesellschaft finden, Losgehen …

  • Antje Hoell
  • 17. Sept. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Nov. 2021

Oh je, sind wirklich schon zwei Monate vergangen, seit meines letzten Eintrages? Wieso schreibe ich erst heute? Ganz einfach. Mein Mann und ich waren im August für drei Wochen im Urlaub. Wir haben mit unserem halbausgebauten Camper eine Tour durch Deutschland unternommen. Haben, dank Landvergnügen, einem Reise- und Genussführer für Campingfreunde, auf unterschiedlichen Höfen gecampt, haben dort regionale Spezialitäten wie Käse, Wein, Fleisch und Gemüse verkostet, genossen und uns als Wegzehrung gekauft. Wir haben liebe Menschen besucht und kennengelernt, haben Regionen in Deutschland gesehen, die wunderschön und kraftspendend sind. Dass mich das Allgäu mit seiner Natur, den kleinen Bauernhöfen, den herrlich frischen ländlichen Produkten und den Allgäuer Kühen mit großer Kuhglocke so sehr in den Bann ziehen wird, hätte ich nicht gedacht. Dank eines herzensguten Freundes meines Mannes und seiner Eltern, ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Ich habe Allgäuer Kühe gemolken. Ich durfte die Euter der Kühe liebevoll bürsten, um den Milchfluss anzuregen und meine ersten, erfolgreichen!!! Melkversuche unternehmen. Ich war glücklich. Auf dem Weg, wieder zurück in den hohen Norden, haben wir auf einem Biohof direkt vor einer Pferdekoppel gestanden. Auch hier, eine Wohltat, grasende, sich neckende und liebende Pferde zu beobachten, eins zu sein mit der Natur und den Tieren. Zufriedenheit und kindliche Freude waren meine ständigen Begleiter. Einen entspannten Ausklang unserer Campertour haben wir auf Kagnaes, einer kleinen, absolut süßen Halbinsel am südlichen Ende der Insel Alsen (Dänemark) gehabt. Dort haben wir auf Lille Lund, einem Resthof mit Gemüse- und Blumenbeeten, Hühnern, Ponys, u.v.m. gecampt … Verwunschen schön und Balsam für die Seele, nur ein paar Minuten entfernt von der Kräfte spendenden Ostsee.

Nun sind wir seit einigen Wochen wieder zu Hause. Für meinen Mann ist der Arbeitsalltag erneut eingekehrt und für mich geht die Planung und Gestaltung meines täglichen und zukünftigen Lebens mit oder ohne Erkrankung weiter. Derzeit halten sich meine Werte stabil, auch ohne Therapie und ohne Stammzelltransplantation. Wie lange die Myelomaktivität ruhig bleibt, wissen mein Oberarzt und ich nicht. Was ich jedoch weiß ist, dass es mir momentan relativ gut geht, auch wenn ich zwischenzeitlich meinen Erwerbsminderungsrentenantrag stellen musste, mit 41 Jahren! Das hat mich viel emotionale Kraft gekostet. Es flossen einige Tränen, ich hatte schlaflose Nächte, denn in diesem Alter in Rente zu gehen, mit so vielen Ideen im Kopf, mit so viel Fachwissen im Hirn und so viel Empathie und Feingefühl in den Gliedern, fühlt sich das nicht richtig an und reißt ein tiefes finanzielles Loch in unsere Haushaltskasse. Ohne meinen Mann wäre ich mit dem Bezug der Erwerbsminderungsrente ein Sozialfall, denn die Rente ist so klein, dass ich davon max. eine kleine Miete zahlen und Lebensmittel für evtl. zwei Wochen kaufen könnte. Das arbeitet natürlich in mir. Was kann ich tun, um trotzdem einen Platz in dieser Gesellschaft zu haben und nicht komplett ausgegrenzt zu werden? Wohin mit all meinen Ideen zu meiner Internetseite, meinen Spendenaufrufen, Ehrenamtsgedanken, Jobvorstellungen? Ich fühle mich ein wenig wie eine Gedankenmaschine, die Leben erstellt, gestaltet und umsetzt. Auch für mein Leben habe ich zu viele Vorstellungen, Träume, Wünsche und Ziele. Zum Glück darf ich zusätzlich zur Rente, wenn sie denn genehmigt wird, einen 450,- Euro Job annehmen. Wird sie nicht genehmigt, muss ich es schaffen, bis Februar nächsten Jahres einen Arbeitgeber zu finden, der ein, ich möchte es einmal überspitzt ausdrücken: Pulverfass einstellt, denn wie lange ich therapiefrei und einigermaßen belastbar bin, weiß ich nicht. Bis Februar erhalte ich noch Überbrückungsgeld von der Agentur für Arbeit. Schwere Kost und dennoch: Wer mich kennt, weiß, für mich gibt es kein Aufgeben. Jede Aufgabe, jede Herausforderung, die mir das Leben bisher gestellt hat, habe ich angenommen und bewältigt. Obwohl es des Öfteren einer enormen Kraftanstrengung bedeutete, hat mich jede Aufgabe, jede Herausforderung emotional nur stärker gemacht. Ich wurde und werde fast täglich dazu aufgefordert, mich auf mich zu besinnen und mich zu fragen, was ich brauche, damit es mir gut geht. Früher bin ich darüber hinweggegangen, habe mich nach anderen gerichtet, mich angepasst. Heute weiß ich, das tut mir nicht gut. Von Tag zu Tag werde ich innerlich ruhiger, ich vertraue meiner inneren Stimme, meinem Selbst. Ich spüre eine innere Ruhe und Zufriedenheit, wie ich sie in meinem Leben noch nicht erlebt habe. Vorgestern habe ich mich mit einer Palliativärztin getroffen. Wir sind gemeinsam spazieren gegangen. Ich habe sie gefragt, wie alt ihre Patienten sind und wie diese mit dem bevorstehenden Tod umgehen. Sie sagte mir, egal ob jung oder alt, fast alle stellen die „Warum ich?“ Warum jetzt? Ich will doch noch leben - Fragen“. Das finde ich bemerkenswert und traurig zugleich. Zum Glück kann ich sagen, dass ich zufrieden mit mir und dem Leben bin. Ich habe gelernt, in mir zu ruhen und dankbar zu sein, für das Geschenk Leben. Von Herzen wünsche ich Euch, liebe LeserInnen, dass ihr die kleinen und großen Glücksmomente in eurem Alltag erkennt und wertschätzt und dankbar auf euer / unser gemeinsames Leben blickt. Lasst uns zusammenhalten.









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