Weitere Auszeit, Frühlingserwachen
- Antje Hoell
- 17. Apr. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Am Donnerstag hätte ich wieder Therapie gehabt – hatte ich aber nicht. Bis Mitte der Woche fühlte ich mich platt und kraftlos, deshalb habe ich meinem Oberarzt mitgeteilt und darum gebeten, diese Woche keine Therapie zu erhalten. Er hat meine Einschätzung über meinen körperlichen Zustand ernst genommen und die Therapie ausgesetzt, obwohl meine Blutwerte eine Therapie zugelassen hätten. Dafür bin ich ihm dankbar. Denn wenn ich eins gelernt habe in meiner Zeit der Therapie, dann das Wissen und Vertrauen darin, dass ich meine eigene Ärztin bin und am besten weiß und spüre, was mir gut tut und was nicht! Es ist wundervoll, auf sein Gefühl zu vertrauen und noch besser ist es, wenn Menschen, die mich begleiten, meine Empfindungen akzeptieren und ernst nehmen, auch wenn sie vielleicht nicht immer nachvollziehbar sind.
Noch nicht realisiert und wirklich nachvollzogen habe ich meinen Therapieerfolg, eine Plasmazellularität (Tumorzellen) im Knochenmark von nur noch unter 2%! Meine liebe Freundin Ruth hat mir in unserem gestrigen Telefonat vor Augen geführt, wie viel meine lebensbejahende Einstellung, meine regelmäßige Bewegung, meine Kommunikation sowie meine offene und begeisterungsfähige Art, zu dem Ergebnis beigetragen haben. Mir fällt es leicht, in meinem Gegenüber das Gute zu sehen, die Persönlichkeit zu stärken sowie die kleinen und großen Schätze, die jedeR in uns trägt, hervorzuholen. Meine Schätze hervorholen und stolz darauf sein, fällt mir noch schwer. Deshalb bin ich dankbar, wenn meine WegleiterInnen, allen voran meine engsten Freundinnen Suzana, Manu und Ruth sowie mein lieber Freund Robert es schaffen, mich in meiner Person und meinem Tun zu stärken.
Vielleicht sollten wir uns die Natur als Vorbild nehmen. Es sprießt und blüht um mich herum. Die Natur ist erwacht. Überall strecken und recken sich kleine und große Triebe, Pflänzchen und Blumen aus dem Erdreich. Christian und ich ziehen samenfeste alte Sorten aus biologischem Anbau wie Gurken, Tomaten, Paprika und Kräuter heran. Aus einem kleinen, manchmal minikleinen Samenkorn, entwickeln sich zunächst kleine Pflänzchen, die mit der Zeit größer werden, Blüten und Früchte tragen. Wir sollten uns das Samenkorn als Vorbild nehmen: würde es von vornherein sagen: „Ich bin viel zu klein, kann nicht wachsen, bin viel zu schwach, um groß und stark zu werden“, würde es nicht wachsen. Darüber macht sich das Samenkorn jedoch keine Gedanken. Es zögert nicht – es wächst einfach. Mit der richtigen Erde, Temperatur und dem richtigen Licht wird aus dem Samenkorn eine Pflanze, die blüht, Früchte trägt und sich des Lebens freut. Was für eine Metapher. Wenn ich auf meinen bisherigen Therapieweg schaue, war ich anfangs ein „zögerliches „Samenkorn. Dennoch habe ich mich auf den Weg gemacht, der erst steinig und unüberwindbar schien. Jetzt bin ich an dem gleichen Punkt, wie das Samenkorn. Ich habe die erste Hürde des Weges genommen, habe, wie das Samenkorn das Köpfchen aus dem Sand gezogen und blinzle jetzt der Sonne und meinem weiteren Wachstum = Weg entgegen. Was ich dazu benötige sind, wie auch bei dem Samenkorn, die richtige Temperatur (Umarmungen, aufmunternde und liebe Worte), nährstoffreiche Erde (= biologisch regionale Ernährung und Bewegung) sowie Licht (= meine WegbegleiterInnen, Gespräche, meine lebensfrohe und lebensbejahende Einstellung zum Leben und den Menschen). Es ist eine Freude, den Pflänzchen beim Wachsen zu zusehen. Ich wünsche mir, dass ich diesen wohlwollenden Blick auch auf mich und meinen Weg richte und jedeR, der diese Zeilen liest, auch auf sich und sein/ihr Leben. Denn wir alle sind klein und ungeschützt auf die Welt gekommen und haben uns bis hierher unseren Weg durch schwieriges Terrain gebahnt. Wohlwollend auf den eigenen Lebensweg zurückzublicken, das Erreichte Anerkennen und evtl. sogar feiern, haben wir verdient. Das Leben darf Freude machen, auch wenn die Rahmenbedingungen nicht immer einfach sind. Passend dazu ein Zitat von Ralph Waldo Emerson:
„Nicht am Ziel wird der Mensch groß, sondern auf dem Weg dorthin.“
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